Die 6R – Sechs Designprinzipien für nachhaltige Produkte (2024)

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Kerstin Dyck 17. Dezember 2021

Die 6R – Sechs Designprinzipien für nachhaltige Produkte (1)

Nachhaltigkeit ist längst keine Nische mehr. Kund:innen – egal ob B2C oder B2B – fragen immer häufiger nach nachhaltigen Produkten und Services. Auch in Unternehmen rückt das Thema immer stärker in den Fokus: Bei vielen Herstellern sind Nachhaltigkeit, Digitale Ethik und Corporate Digital Responsibility mittlerweile zentrale Werte der Unternehmensidentität und der Produktentwicklung. Doch wo könnt Ihr ansetzen, um Produkte und Services nachhaltig zu gestalten und zu entwickeln? Wie entstehen sinnvolle und wertschöpfende Lösungen, die Ressourcen schonen und die Lebensqualität steigern? Wie lässt sich ressourceneffizient programmieren? Wir stellen Euch sechs Prinzipien vor, mit denen Ihr die Basis für eine nachhaltige Produktentwicklung legt. Mit ihrer Hilfe bezieht Ihr ökologische, soziale und ethische Perspektiven in Gestaltung und Entwicklung mit ein. So entstehen zukunftsfähige Produkte, von denen nicht nur Euer Unternehmen, sondern auch Umwelt und Gesellschaft profitieren.

Was bedeutet Nachhaltigkeit überhaupt?

Die meisten verbinden Nachhaltigkeit rein mit Umweltaspekten: Wie lassen sich Ressourcen schonen oder Materialien wieder recyceln? Wie kann Produktion, Konsum oder der CO2-Verbrauch reduziert werden? Diese ökologische Perspektive ist angesichts des Klimawandels natürlich extrem wichtig. Es gibt jedoch noch zwei weitere Facetten von Nachhaltigkeit: die ökonomische (Wirtschaft) und die soziale (Gesellschaft).

Im Hinblick auf die ökonomischen Perspektive zielen wir als Gestalter:innen und Entwickler:innen beispielsweise darauf ab, sinnvolle und wertschöpfende Produkte oder Services zu entwickeln. So sollten Unternehmen auf Geschäftsmodelle setzen, die nicht nur auf schnelles Wachstum ausgelegt sind, sondern langfristig Kunden binden und Arbeitsplätze sichern.

Die soziale Perspektive berücksichtigt Themen wie Datenschutz, Inklusion oder den ethischen Einsatz von Technologien. Ohne diese besteht das Risiko, technische Produkte und Services am Menschen vorbei oder sogar gegen die menschlichen Werte zu entwickeln. Big Data und Künstliche Intelligenzen können beispielsweise Gruppen von Nutzenden ausschließen und benachteiligen, falls sie auf Basis der vorhandenen Daten gelernt haben, Personen hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, etc. anders zu behandeln. Nur wer alle drei Nachhaltigkeitsaspekte in Design und Entwicklung berücksichtigt, kann nachhaltige und zukunftssichere Produkte entwickeln.

Euro vs Karma: Was bringt eine nachhaltige Produktentwicklung?

Das Interesse an nachhaltigen Produkten und Services steigt. Dennoch vertreten viele noch die Meinung, dass Nachhaltigkeit und ökonomisches Handeln nicht unter einen Hut passen. Doch stimmt das: Nachhaltigkeit ist "nur" gut fürs Image, bringt aber keine messbaren Vorteile? Keineswegs – Studien bestätigen, dass Nachhaltigkeit Unternehmen zukunfts- und wettbewerbsfähiger sowie ökonomisch erfolgreicher macht:

  • Wertorientierte Produkte und Services helfen, neue Kundschaft zu gewinnen und diese sowie die Mitarbeitenden enger ans Unternehmen zu binden.
  • Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb. Kund:innen wählen immer öfter die ökologische oder soziale Alternative. In einer Studie gaben Konsumierende an, beim Kauf von Produkten im Einzelhandel vor allem auf deren Umweltfreundlichkeit zu achten [1].
  • Das schlägt sich auch in wirtschaftlichen Kennzahlen nieder: Nachhaltig agierende Unternehmen der Konsum- und Handelsbranche beispielsweise haben im Durchschnitt eine 6 Prozent höhere EBIT-Marge als weniger nachhaltig operierende Wettbewerber [2].
  • Wer nicht nur nachhaltige Produkte entwickelt, sondern auch in der Entwicklung auf Ressourceneffizienz achtet, profitiert gleich doppelt: Denn Nachhaltigkeit führt mittelfristig zu geringeren Kosten in Produktion und Entwicklung.

Das sind nur einige Punkte, die zeigen: Wer nachhaltig nachhaltige Produkte entwickelt, wird nachhaltig belohnt.

Leitlinien für nachhaltiges Design und eine ressourceneffiziente Entwicklung

Doch wie genau gelingt es, nachhaltige Produkte nachhaltig zu entwickeln? Unsere 6Rs dienen hier als Leitlinie, um Nachhaltigkeit stärker in die Produktentwicklung zu integrieren. Sie ergänzen den Ansatz des klassischen Human Centered Designs um ökologische, soziale und ethische Fragen. Die sechs Prinzipien sind nicht neu. Ihr kennt einige davon sicher aus der Circular Economy. Wir haben sie jedoch ins Digitale übersetzt, erweitert und hierzu Know-how zusammengetragen.

1. Rethink: Umdenken und neudenken

Um innovativ und wettbewerbsfähig zu sein, solltet Ihr Gewohnheiten hinterfragen und Euch von Althergebrachtem lösen. Fangt dabei bei den Werten an, die Euer Unternehmen ausmachen und Eurer Arbeit zugrunde liegen. Diese fokussieren oft auf Effizienz und weniger auf ökologische oder soziale Werte. Findet heraus, wo Euer Unternehmen und Team in Sachen Nachhaltigkeit steht. Mit unserem Sustainability Opportunities Canvas identifiziert Ihr konkrete Handlungsfelder für mehr Nachhaltigkeit und entwickelt Szenarien, wie Ihr diese Potenziale nutzen könnt [3].

Schärft das Bewusstsein und Wissen rund um Nachhaltigkeit in Eurem Unternehmen. Kreativ- und Innovationsmethoden wie Design Thinking können Euch dabei helfen, Eure Perspektive auf Umwelt und Gesellschaft zu erweitern und neue nachhaltige Ansätze zu finden. Aber auch der Austausch mit Externen kann inspirieren: Erweitert Euer Netzwerk beispielsweise mit Expert:innen für Nachhaltigkeit und anderen Unternehmen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Nutzt das Netzwerk, um mehr über das Thema zu lernen und zu diskutieren und mit kombinierten Ressourcen mehr zu erreichen.

Denk- und Verhaltensweisen beeinflussen

Rethink bedeutet auch, Eure Zielgruppen zum Umdenken zu bewegen und ihre Denk- und Verhaltensmuster zu beeinflussen. Wichtig: Hier geht es nicht darum, Menschen zu manipulieren oder in eine Richtung zu drängen, in die sie nicht gehen wollen. Wenn Menschen jedoch ihr Verhalten verändern wollen – beispielsweise um gesünder und nachhaltiger zu leben –, kann nachhaltiges UX-Design sie hierbei unterstützen. Dafür solltet Ihr grüne Optionen zunächst einmal sichtbar machen oder sogar als Default anzeigen. E-Commerce-Anbieter können beispielsweise bei ihren Produkten Entscheidungskriterien zur Nachhaltigkeit sichtbar machen: Wurden die Produkte fair und sozial, regional oder vegan hergestellt? Entstanden bei der Produktion Schadstoffe? Auch beim Versand lassen sich Konsumierende in die "grüne" Richtung schubsen: eCommerce-Händler können die Option "Lieferung zusammenfassen" als Default setzen, auch wenn beispielsweise einzelne Produkte früher geliefert werden könnten. Käufer:innen müssen diese Option bewusst abwählen, falls sie Einzellieferungen wünschen. Weitere Green Nudges – also kleine Anstöße, die ein nachhaltiges Verhalten fördern – findet Ihr online [4].

Ein weiteres Beispiel stammt aus unserem eigenen Projektfundus: Wir stellten uns die Frage, wie man bestehende Denkmuster im Bereich Ernährung durchbrechen kann. Unsere industrielle Landwirtschaft ist nicht mehr gewappnet für die Herausforderungen des Klimawandels: Sie ist geprägt von Monokulturen und weiten Transportwegen. Wie gelingt der Schritt "zurück" zu einer autarkeren und lokaleren Ernährung? Unser Ansatz: Nicht jeder ist ein geborener Gärtner und hat den entsprechenden Platz, um Gemüse anzubauen. Daher müssen wir die Einstiegshürden für Personen mit wenig Erfahrung und Platz senken. So entstand ein intelligenter Kräutergarten, der sich dank Sensoren fast komplett selbst versorgt.

2. Research: Eine Wissensbasis schaffen für gute und nachhaltige Entscheidungen

Um richtig beurteilen zu können, wie sich Eure Entscheidungen im Entwicklungsprozess auf die Nutzenden, Euer Unternehmen, die Umwelt und Gesellschaft auswirken, braucht Ihr eine solide Wissensbasis. Diese könnt Ihr auf unterschiedliche Art und Weise erreichen: Ihr könnt Trend- oder Technologierecherchen durchführen, Experten befragten und insbesondere Euren Nutzungskontext explorieren. Bei der Analyse des Nutzungskontexts sammelt Ihr Wissen über Eure Nutzenden sowie die Besonderheiten des Nutzungskontextes. Mit ihrer Hilfe lernt Ihr zu verstehen, wie Eure Zielgruppe Euer Produkt und Service nutzt und welche Bedürfnisse sie hat. Nur mit diesem Wissen könnt ihr richtige und nachhaltige Entscheidungen treffen.

Testet Eure Ideen und Konzepte möglichst früh mit Eurer Zielgruppe. So erhaltet Ihr frühzeitig Feedback, ob Eure Ideen gut bei Euren Kund:innen ankommen. So könnt Ihr Euch früh auf vielversprechende Ansätze fokussieren und Produkte, Services und Features, die keiner braucht, verwerfen. Dies hilft Euch, Personal, Zeit und Material sinnvoll einzusetzen und Ressourcen zu minimieren.

Berücksichtigt bei Eurer Research bewusst ethische, soziale und ökologische Aspekte: Schafft Eure Lösung Ungleichheit? Trägt sie beispielsweise zu einem selbständigen Leben bei oder macht sie abhängig? Diese Fragen sind insbesondere bei Big Data und Künstlicher Intelligenz zentral. Aber auch wenn Euer Produkt oder Service ohne diese auskommt, gibt es oft Berührungspunkte zu ethischen Fragen. Diese ethische Perspektive einzunehmen, ist jedoch meist nicht einfach und muss geübt werden.

Ein Beispiel, das die Bedeutung von Research zeigt, ist das Forschungsprojekt inDAgo. Es beschäftigte sich mit der Frage, wie wir im Alter Mobilität im öffentlichen Raum unterstützen können und Senior:innen so Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen? Im Projekt wurden Senior:innen zum öffentlichen Nahverkehr befragt. Die Befragung ergab, dass die Zielgruppe Ticketautomaten als unhygienisch empfindet. Da sie sich vor Krankheiten sorgen, nutzen die Senior:innen den Automaten ungern. Auch das Smartphone ist keine Alternative, da die Zielgruppe es ebenfalls kaum verwendet oder gar nicht erst besitzt. Nach der Research war klar: Die Zielgruppe kann Öffentlichen Nahverkehr nur unbeschwert nutzen, wenn die Interaktion berührungslos möglich ist. Für die Entwicklung eines passenden Produkts ergaben sich für uns zwei Hauptfragen: 1. Gibt es technologische Alternativen zum Ticketautomaten mit Touch- und Tastenbedienung? Und wenn ja, welche? 2. Wie können wir dabei die Bedürfnisse der Nutzenden nach Privatsphäre, Selbstbestimmung und Sicherheit berücksichtigen?

3. Reflect: Auswirkungen hinterfragen und mutige Entscheidungen treffen

Hinterfragt basierend auf den Ergebnissen Eurer Research, wie sich Euer Produkt oder Service auf Individuen, Euer Unternehmen und die Gesellschaft auswirkt. Dabei können ganz unterschiedliche Dimensionen relevant sein: Übernehmt Ihr beim Neuaufsetzen eines Produkts ein bestehendes Feature nur, weil es schon immer Teil der Software war oder hat es einen zentralen Wert für die Nutzenden? Wie viel Energie verbraucht die Lösung? Schadet sie der Umwelt? Beeinträchtigt sie die Gesundheit oder Sicherheit der Nutzenden? Sind ihre Daten sicher? Um gegenüber Eurer Kundschaft glaubwürdig zu bleiben, solltet Ihr transparent über diese Auswirkungen kommunizieren. Das gilt insbesondere, wenn getroffene Entscheidungen nicht mit Euren Werten übereinstimmen, die Ihr nach außen kommuniziert. Macht deutlich, dass Ihr Euch dieser Diskrepanz bewusst seid und erklärt, wie es dazu kommt.

Mit dem EVA-Tool den Überblick behalten

Um diese Aspekte systematisch zu erheben und im Blick zu behalten, könnt Ihr Tools wie EVA (Ethical Value Assessment) nutzen. Mit dem Tool unterzieht Ihr Euer Produkt einem Ethik-Stresstest, der ethische Angriffsflächen aufdeckt. Dafür bewertet Ihr verschiedene Designvarianten in unterschiedlichen, frei wählbaren Dimensionen wie Datenschutz, Sicherheit und Profitabilität. In jeder Dimension gebt Ihr an, welche Chancen und Risiken mit den jeweiligen Varianten für Eure Stakeholder einhergehen. Ein Dashboard visualisiert die unterschiedlichen Varianten anschaulich und übersichtlich. Damit schafft das EVA-Tool eine hervorragende Grundlage für eine transparente Kommunikation und Entscheidung: Ihr könnt mögliche Risiken schnell erkennen und Maßnahmen ergreifen, um diese zu reduzieren. Entscheidungen, die nicht nachhaltig sind, sich aber dennoch nicht vermeiden lassen, solltet Ihr entsprechend verargumentieren. Wer Interesse an dem EVA-Tool hat, kann sich gern an uns wenden.

Für eine Welt ohne Barrieren

Eine wichtige ethische Frage, die Ihr Euch stellen solltet: Ermöglicht Euer Produkt jedem Nutzenden eine Teilhabe? Ist Eure Software, App und Website barrierefrei? Können alle Menschen sie problemlos nutzen? Oder werden bestimmte Personen aufgrund von Beeinträchtigungen ausgeschlossen? Diese Beeinträchtigungen können dauerhaft sein wie Blindheit, motorische Defizite oder Weitsichtigkeit im Alter. Aber Barrierefreiheit betrifft nicht nur diese Zielgruppen, sondern uns alle: Jeder kann situativ in eine Lage kommen, die die Nutzung Eures Produkts oder Services temporär erschwert: Sei es beispielsweise aufgrund einer lauten Geräuschkulisse, einer schlechten Internetverbindung, des blendenden Sonnenlichts oder weil nur eine Hand frei ist für die Bedienung. Barrierefreiheit hilft letztlich uns allen. Denn sie bedeutet höchste Usability und User Experience für uns alle.

Barrierefreiheit betrifft Konzept, Design und Programmierung gleichermaßen. Berücksichtigt in Konzept und Design beispielsweise mögliche Farbfehlsichtigkeiten: Wichtige Statusinformationen sollen immer doppelt kodiert werden – mittels verschiedener Formen UND Farben. Mit Tools könnt Ihr überprüfen, ob die Kontraste für unterschiedliche Farbwahrnehmungsfähigkeiten ausreichen. Das sind nur zwei Beispiele für barrierefreies Designs. Weitere Hinweise für eine barrierefreie Gestaltung und Programmierung findet Ihr in einer Checkliste [5].

4. Reduce: Ressource einsparen

Human Centered Design trägt prinzipiell schon zu mehr Nachhaltigkeit bei. Mit menschzentrierten Produkten und Services arbeiten Nutzende effizienter und schneller. Da sie so weniger Zeit mit Anwendungen verbringen, verbrauchen sie dadurch weniger Energie. Menschzentrierte Lösungen sind intuitiv zu erlernen und zu bedienen, was Support- und Weiterbildungskosten reduziert. Doch nicht nur dank der menschzentrierten Gestaltung, sondern auch dank der Digitalisierung lassen sich Ressourcen sparen: Denken wir nur an die vielen Remote-Konzepte, die uns die Corona-Pandemie beschert hat. Sie haben die Aufwände und Kosten für Reisen enorm verringert. Durch die Digitalisierung erhalten zudem bestimmte Zielgruppen Zugang zu Produkten und Services, die für sie vorher unerreichbar schienen. Gleichzeitig verbraucht die Digitalisierung jedoch viel Energie: Ob bei der Entwicklung, der Nutzung oder dem Hosting – große Datenmengen zu verarbeiten, benötigt viel CO2. Das Internet produziert rund 2-3 % der weltweiten Emissionen und damit so viel wie der internationale Flugverkehr [6]. Wäre das Internet ein Land, hätte es die sechshöchsten CO2-Emissionen weltweit [7].

Doch Ihr könnt die Nachhaltigkeitschancen von Digitalisierung nutzen und dennoch Euren Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten – mit einer ressourceneffizienten Programmierung.

Ressourceneffiziente Programmierung

Wie genau Ihr ressourceneffiziente, nachhaltige und langlebige Software entwickelt, zeigen ein Cheat Sheet [8] und Leitfaden [9] des Bitkom, an dem wir mitgearbeitet haben. Einige wertvollen Tipps fassen wir im Folgenden zusammen:

Potenzial analysieren und die richtige Programmiersprache wählen

Die Weichen für mehr Nachhaltigkeit stellt Ihr bereits, bevor Ihr überhaupt eine Zeile Code programmiert habt: Analysiert, an welchen Stellen Ihr ansetzen könnt, um Energie zu sparen: Wo wird die meiste CPU-Zeit benötigt, viel Arbeitsspeicher verbraucht oder der meiste Netzwerk-Traffic erzeugt? Den größten Einfluss auf die Energieeffizienz Eurer Software hat die Wahl der richtigen Programmiersprache. Studien zeigen: Die Sprache, mit der sich der konkrete Anwendungsfall am schnellsten umsetzen lässt, ist meistens die energieeffizienteste. Auch der Einsatz von Bibliotheken und Frameworks kann sich lohnen. Sie bieten nicht nur optimierte Lösungen für häufige Probleme. Bibliotheken, die einen Algorithmus energieoptimiert umsetzen, verbrauchen meist weniger Rechenzeit als ineffiziente Eigenentwicklungen und sind damit meist energiesparender als diese.

Ressourcen während der Laufzeit einsparen

Die meiste Energie lässt sich zur Laufzeit einsparen: Wird Code nicht ausgeführt, verbraucht er auch keine Energie. Hinterfragt, welche Berechnungen wann wirklich nötig sind, und führt keine Berechnungen auf Vorrat aus. Nutzt Caches und Buffers, um den Datenfluss gering zu halten. Ermöglicht es Euren Nutzenden, den Energieverbrauch selbst mitzubestimmen, in dem sie beispielsweise unnötige Features deaktivieren können.

Ressourcen während der Entwicklung einsparen

Nicht nur während der Laufzeit, auch in der Entwicklung könnt Ihr den Ressourcenverbrauch im Blick behalten. Ob inkrementeller Compiler, automatische Tests oder Continous Development – mit jedem Commit löst Ihr viele energieintensive Hintergrundprozesse aus. Auf diese Entwicklungstools müsst Ihr natürlich nicht komplett verzichten. Aber konfiguriert die Continuous-Integration-/Continuous-Delivery-Pipeline mit Bedacht: Wie oft müsst Ihr die energieintensiven Integrationstest wirklich durchführen? Müsst Ihr bei jeder kleinen Anpassung die komplette Testsuite durchlaufen? Entkoppelt Software-Komponenten voneinander, um den Energieverbrauch zu verringern. Mehrere kleinere Services, die niedrigere Anforderungen an die Hardware stellen, sind sparsamer und leistungsfähiger als der klassische Monolith.

Organisatorischen Rahmen schaffen

Um nachhaltige Software-Entwicklung erfolgreich im Unternehmen zu verankern, müssen Führungskräfte den entsprechenden organisatorischen Rahmen setzen. Ein Beispiel hierfür: In Software-Projekten kommt es oft zu Konflikten hinsichtlich der Ziele Qualität, Zeit und Kosten: Entwickelt man eine Software ressourceneffizient oder besorgt man einfach einen größeren Server, weil dies vermeidlich einfacher, schneller und kostengünstiger ist? Erkennt Konflikte wie diesen und diskutiert sie. Macht Euch, Eurem Team und Euren Führungskräften bewusst: Nachhaltigkeit ist nicht nur ein weiteres, eigenständiges Projektziel. Nachhaltigkeit zahlt vielmehr positiv auf weitere Projektziele wie Kundenzufriedenheit oder Betriebskosten ein.

Mit den richtigen Metriken den Erfolg messen

Um festzustellen, ob Eure Software wirklich Energie spart, müsst Ihr den Energiebedarf zunächst einmal erheben. Legt daher zu Beginn des Projekts Metriken fest, um den Energiebedarf und Euren Erfolg zu messen. Doch welche Metriken sind die richtigen? Darüber lässt sich ausgiebig streiten. Wir empfehlen Euch, hier nicht viel Zeit mit Diskussionen verstreichen zu lassen. Macht das Messen vielmehr so einfach wie möglich, um die Metriken in der Praxis leicht anwenden zu können. Verwendet am besten Proxy-Werte. Sie bilden das zu messende Ziele indirekt ab und lassen sich meist leichter bestimmen als die direkten Werte. Ein Beispiel: Der CO2-Ausstoß lässt sich direkt nur schwer ermitteln, während der Stromverbrauch deutlich einfacher zu bestimmen ist. Ein hoher Stromverbrauch bedingt meist einen hohen CO2-Ausstoß. Der Stromverbrauch ist damit ein guter Proxy-Wert, um die CO2-Emissionen zu erfassen.

Nachhaltigkeit zertifizieren lassen

Wie am Anfang des Artikels gezeigt, ist Nachhaltigkeit – sowohl B2C als auch B2C – ein wichtiges Verkaufsargument. Ihr entwickelt nachhaltig? Dann solltet Ihr Euch dies auch "offiziell" bestätigen lassen – beispielsweise durch den "Blauen Engel". Der "Blaue Engel" kennzeichnet Produkte, die sparsam mit Hardware-Ressourcen umgeben und wenig Energie verbrauchen. Das Umweltzeichen wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie vom Umweltbundesamt vergeben. Es zertifiziert seit kurzen nicht nur ressourceneffiziente Hard-, sondern auch Software.

Dies sind nur einige Tipps für eine nachhaltige Software-Entwicklung. Im kostenfreien Bitkom-Leitfaden [9] und Cheat Sheet [8] findet Ihr weitere Hinweise.

5 & 6. Reuse & Repair: Bestehendes wiederverwenden und einfache Anpassung ermöglichen

Entwickelt modulare Konzepte, die auf Bestehendem aufbauen und einfach anpassbar sind. Die Software-Entwicklung hält hier bereits viele "Methoden" bereit, auf die Ihr zugreifen könnt:

  • Nutzt DevOps für unterschiedliche Industriezweige.
  • Optimiert Workflows mit Hilfe von Patterns.
  • Baut auf Framework und Libraries auf und setzt auf wiederverwendbare Module.
  • Indem Ihr Logik und View trennt, könnt Ihr in die Jahre gekommene UIs modernisieren, ohne die gesamte Software neu entwickeln zu müssen.
  • Auch Code Reviews tragen zu mehr Effizienz und Qualität bei, denn sie helfen Entwickler:innen, schneller zu lernen und sich zu verbessern.

Für Euch klingt das nach einem alten Hut? Unsere Erfahrung zeigt leider, dass diese Methoden oftmals eher Mythos als gelebte Realität sind.

Effizientere Entwicklung mit Living Styleguides

Auch mit Living Styleguides könnt Ihr effizienter entwickeln und ein einheitliches Look-&-Feel in Eurer Produktwelt sichern. Im Gegensatz zu ihren statischen Pendants lassen sich Living Styleguides problemlos ändern und erweitern. Immer aktuell und jederzeit verfügbar werden sie so der Dynamik multidisziplinärer Teams besser gerecht. Für einen unserer Maschinenbau-Kunden dokumentierten wir beispielsweise alle UI-Komponenten wie Buttons oder Eingabeformulare inklusive Code-Snippet in einem HTML-Styleguide. Müssen Entwickler:innen neue Features implementieren, entnehmen sie die entsprechenden UI-Komponenten aus dem Living Styleguide. Das macht ihr Arbeiten nicht nur effizienter, es steigert auch die Qualität und Konsistenz.

Fazit

Eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft liegt auch in den Händen von Entwicklungsteams. Denn digitale Produkte bestimmen immer mehr Bereiche unseres Lebens. Gleichzeitig eröffnet uns der technologische Fortschritt neue Spielräume und Möglichkeiten. Die 6R geben Euch Leitlinien an die Hand, um zukunftsfähige Produkte und Services zu gestalten und zu entwickeln. Sie helfen Euch, der steigenden Nachfrage nach mehr Nachhaltigkeit zu begegnen. Mit den 6Rs legt Ihr den Grundstein für den nachhaltigen Erfolg Eures Unternehmens. Mehr noch: Ihr tragt zu einer Zukunft bei, in der wir alle gern leben wollen.

Autoren

Kerstin Dyck

Kerstin Dyck, Lead User Experience bei UID, gestaltet seit 2007 als User Experience Consultant ganzheitliche Konzepte nah am Nutzenden. >>Weiterlesen

Duc Long Nguyen

Duc Long Nguyen ist Software Engineer bei der User Interface Design GmbH (UID). Er implementiert grafische Bedienoberflächen für Kunden aus den Branchen Automotive, Enterprise und Industrie. >>Weiterlesen

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